Anfang dieses Jahres hat die AG BYOD des BWDs seine Feuertaufe gefeiert. Wir sind uns mit der Schulleitung, die uns den Auftrag zur Vorbereitung und Einführung von BYOD übergeben hat, einig, dass diese nur dann Sinn macht, wenn wir daraus einen pädagogischen Mehrwert ziehen können. Es gibt genug Beispiele von Schulen, die BYOD ohne pädagogisches Konzept (“das macht man halt jetzt”) eingeführt haben, und bei denen die Devices im besten Fall ein Buch ersetzen, im schlechtesten Fall nur auf den Pulten liegen. Das soll uns also nicht passieren. Trotzdem, oder gerade deshalb, kreisen unsere Gespräche auch an der 4. Sitzung in erster Linie um die Frage, wie wir zu diesem Mehrwert kommen, und wie wir unser Kollegium von BYOD überzeugen können.
Nicht nur in meinem Unterricht kommen PC-Zimmer und Handys bereits heute regelmässig zum Einsatz. In PC-Zimmer kann ich aber nur, wenn diese auch frei sind und an gewissen Tagen und zu gewissen Jahreszeiten (SA, V+V, …) brauche ich nicht mal in den Stundenplan zu schauen, um zu wissen, dass ich keine Optionen ausserhalb des Klassenzimmers habe. Die Einsatzfähigkeiten von Smartphones sind begrenzt und stellen mich nicht immer zufrieden. Wenn meine Lernenden ihr Gerät dabei haben, brauche ich mir darüber keine Gedanken mehr zu machen, verliere keine Zeit bei der Vorbereitung und die Gruppenräume stehen endlich wieder für das zur Verfügung, wofür sie eigentlich gedacht sind: für Gruppenarbeiten, bei denen der Geräuschpegel im Klassenzimmer zu hoch wird. BYOD bringt mir also Erleichterung.
Und auch das gehört für mich zu den Vorteilen: wie oft höre ich von meinen Lernenden, dass ihr Lockerschlüssel von der Schildkröte gefressen wurde, die Grossmutter das Deutschbuch versehentlich im Kamin verbrannt hat, ein Kollege den Duden mit in die Ferien nehmen wollte usw. (natürlich sind die Ausreden leider nie so originell). Papier für einen Aufsatz? Ein Block, echt jetzt? Kann ich den Aufsatz auch mit Bleistift schreiben? Leider nein. Wenn wir es schaffen, konsequent auf E-Lehrmittel umzusatteln, haben wir diesbezüglich eine Alles-oder-nichts-Situation - und ich gehe davon aus, dass die Lernenden zu ihrem eigenen Gerät mehr Sorge tragen als zu den Lehrmitteln. Dann braucht es am ersten Schultag auch keinen Rollkoffer mehr. Und: wer trotzdem noch gerne etwas von Hand notiert oder gar zeichnet, erfreut sich vielleicht an einem Rocketbook - ich werde es auf jeden Fall testen.
Seit einiger Zeit versuchen wir zudem, unsere Kopierzahlen an der Schule zu vermindern. Schon heute gebe ich vor allem organisatorische Unterlagen nicht mehr auf Papier ab (auch die sind nämlich im relevanten Moment dann zum Beispiel beim Kollegen in den Ferien), sondern stelle sie auf Teams zur Verfügung. Ich stelle mir vor, dass ich das in BYOD-Klassen auch mit Übungsblättern so mache - ob die Lernenden diese dann direkt auf ihrem Gerät lösen oder auf Papier, ist ihnen überlassen. Wir haben den Vorteil, dass wir die Einführung von O365 und seinen Anwendungen bereits über die Bühne gebracht haben und uns deshalb schon mit technischen Details wie der Verlinkung von Teams nach SharePoint und wieder zurück beschäftigen können, während der Dokumentenaustausch mit den Klassen bereits recht gut funktioniert.
Zugegen, diese Argumente haben nur wenig mit Pädagogik zu tun. Wenn mir aber BYOD die organisatorischen Bereiche des Unterrichts erleichtert, wird sich das auch in der Qualität des Unterrichts niederschlagen.
Unsere wichtigste Aufgabe wird es also sein, mit BYOD Anwendungen zu finden, die unseren Lernenden einen Vorteil für ihre Zukunft, d.h. in der Arbeitswelt, verschaffen. Dass mit “Kaufleute 2022” mehr Gewicht auf (digitale) Methodenkompetenzen und weniger auf Sachkompetenzen gelegt werden wird, ist ein offenes Geheimnis und eine lang erwartete und meines Erachtens begrüssenswerte Entwicklung. Ich stehe dazu, dass ich gewisse QV-Anforderungen im Deutsch nicht nachvollziehen kann. Viel lieber würde ich die Zeit im Unterricht nutzen, um Lese- und Schreibkompetenzen zu verbessern, statt die Umwandlung von Aktiv in Passiv im Plusquamperfekt zum 3. Mal zu erklären und dabei immer noch in fragende Gesichter zu blicken. Und weshalb soll das Lesen und Schreiben nicht (auch) im Zusammenhang mit einem Blogeintrag geübt werden? Oder weshalb sollte die SA nicht zum Beispiel in Form einer Homepage “abgegeben” werden können? Ich bin überzeugt, dass es in jedem Fach solche sinnvolle Anwendungen gibt und das wir sie gemeinsam finden werden.
Bleibt für mich noch eine letzte Frage zu klären: Sollen wir unseren Lernenden wirklich noch mehr Bildschirmzeit zumuten? In diesem Sommer wird an allen Volkschulen der Stadt Bern der Unterricht mit Tablets eingeführt, ab Kindergarten. Wir werden uns dieser Entwicklung längerfristig nicht verweigern können. Lasst uns deshalb unsere Vorbildfunktion wahrnehmen und den Lernenden einen ausgewogenen Mix vorleben. Das heisst für mich, dass wir uns austauschen über Gelungenes und weniger Gelungenes und die Geräte nur dort einsetzen, wo es Sinn macht - dort aber konsequent.
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