Familienmodelle in Zeiten von Corona

Im März 2020 hat der Bundesrat entschieden, die Schulen zu schliessen, um die Ausbreitung von Covid 19 zu verlangsamen oder sogar einzudämmen. Von einem Tag auf den anderen wurde damit unser Familienmodell komplett über den Haufen geworfen. Für mich war klar, dass ich die zwei Wochen bis zu meinen Ferien die Betreuung der Kinder weitestgehend übernehme, ich habe von zu Hause gearbeitet, nur noch das gemacht, was wirklich nötig war und nebenbei versucht, den Kindern ein Mindestmass an Struktur aufrechtzuerhalten. Mein Mann führt mit zwei Partnern ein Architekturbüro mit rund 15 Angestellten. Die Baustellen blieben geöffnet, es galt viel zu organisieren und sich auf den Fall von finanziellen Einbussen vorzubereiten. Wieder einmal haben wir darüber geredet, welche Privilegien es mit sich bringt, einen solch familienkompatiblen Beruf wie den des Unterrichtens auszuüben, und uns gefragt, wie das wohl andere managen.

Als sich abgezeichnete, dass sich auch nach den Ferien Mitte April keine Normalität einstellen würde, habe ich angefangen, mir darüber Gedanken zu machen, wie es dann weitergehen könnte. Über Wochen, vielleicht sogar über Monate, zu improvisieren und meinen Job nur “so halb” zu machen, kam für mich nicht in Frage. Schliesslich mache ich meine Arbeit gerne und bekomme einen guten Lohn dafür. Und ich weiss auch, dass es weder für mich noch für den Rest der Beteiligten gesund ist, wenn ich längere Zeit 100% um die Kinder bin - das liegt mir einfach nicht, daran ändert auch eine Pandemie nichts. Also habe ich nach Lösungen gesucht, und anschliessend das Gespräch mit meinem Mann. Mein Vorschlag: Wir könnten versuchen, für zwei halbe Tage eine Betreuung für die Kinder zu organisieren, zum Beispiel einen PH-Studenten, der gerade nichts verdient, weil er sonst im Service arbeitet - was auch immer.

Ich war mir ziemlich sicher, würde ich mein Anliegen erst dann anbringen, wenn es brennt (also am Sonntag Abend vor Schulbeginn), und ohne Lösungsvorschlag, dass wir dort landeten, wo wir immer landen, wenn einer von uns unzufrieden ist: bei der Diskussion über die Relevanz unseres Beruflebens, das unterschiedliche Engagement für die Familie und den Haushalt. Es ist eine schmerzhafte Diskussion, die wir, seit wir uns kennen, in regelmässigen Abständen führen, die ich aber je länger je mehr akzeptiert habe. Es scheint nicht ohne zu gehen. Deshalb habe ich versucht, dem entgegenzuwirken, vorbeugend quasi.

Und was ist passiert? Natürlich sind wir genau dort gelandet. Ich war wütend und frustriert, auch verletzt. Aber ich habe nicht aufgehört zu argumentieren und ich habe nicht kapituliert. Und ich habe beschlossen, dass ich notfalls meinen Vorschlag selber umsetze und finanziere, wenn kein Gegenvorschlag kommt. Was für ein Privileg, dass ich mir das leisten könnte! Und dann, nach rund 24 Stunden (ja, das mit dem Drüber schlafen hilft wohl schon), hat mein Mann die Diskussion wieder aufgenommen und vorgeschlagen, zusätzlich selber 2 Halbtage zu übernehmen und mir den Rücken freizuhalten, das Kind gemeinsam zu schaukeln. Es klingt nach einem fairen Vorschlag. Ich habe ihn angenommen.

Ein paar Tage später lese ich einen Artikel von Helen Lewis: “Corona ist eine Katastrophe für den Feminismus”. Offensichtlich wirft das Virus ganze Gesellschaften um Jahrzehnte zurück, wenn es um die Bemühungen der Gleichberechtigung geht. Das haben zum Beispiel Studien im Zusammenhang mit Ebola bewiesen, und es wird diesmal nicht anders sein. Ich brauche dafür auch keine Studien, es reicht, wenn ich mich im Freundeskreis umhöre. Es sind die Frauen, die nun zu den Kindern schauen. Es sind die Frauen, die nun zu den Kranken schauen. Es sind die Frauen, die nun beruflich zurückstecken, zum Teil mit jahrelangen Folgen. Und sie tun es nicht nur in Afrika oder in Südamerika. Sie tun es auch in der Schweiz, zumindest zum grössten Teil. Nicht alle haben gelernt, für ihre Bedürfnisse einzustehen. Viele können es sich nicht leisten. Vielen mangelt es an Argumenten. Vielen fehlen die einsichtigen Partner. Noch immer. Darüber sollten wir nachdenken. Und darüber sollten wir reden. Während und erst recht nach Corona.